Resolution:
SDW lehnt zum derzeitigen Stand eine Biosphärenregion Rheingau-Taunus-Wiesbaden-Main-Taunus ab (4/2019)
Das Hessische Umweltministerium lässt aktuell eine „ergebnisoffene“ Machbarkeitsstudie zur Einrichtung eines Biosphärenreservates im Rheingau, dem westlichen Taunus und Wiesbaden (ca. 130.000 ha) erstellen. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) arbeitet hierzu sowohl im dazu eingerichteten Steuerungskreis wie auch in diversen Arbeitsgruppen mit. Die SDW-Mitglieder, die in diesen Gremien mitarbeiten zeigen sich erstaunt und enttäuscht, wie wenig ergebnisoffen dieser Prozess abläuft und wie wenig man auf die Fragen kritischer Steuerungskreismitglieder eingeht. So unternimmt die Geschäftsstelle des Steuerungsprozesses alles, um lediglich die positiven Aspekte eines möglichen Biosphärenreservates darzustellen. Auch in der Außendarstellung werden die kritischen Punkte viel zu oft unbegründet verworfen, statt sie fachlich abzuarbeiten und fachlich untermauert zu diskutieren.
Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald lehnt daher nach dem derzeitigen Stand des Prozesses eine Biosphärenregion Rheingau-Taunus-Wiesbaden-Main-Taunus ab.
Die SDW unterstützt eine multifunktionale Waldbewirtschaftung, also eine friedliche Koexistenz von Ökonomie (Holzgewinnung) und Ökologie (Biodiversität). Gefordert sind Laubmischwälder mit Nadelholzanteilen, (je nach Örtlichkeit auch ungenutzte Flächen). Diese Art der Waldbewirtschaftung ist der Garant für Artenvielfalt, Wirtschaftlichkeit und eine möglichst optimale Klimaschutzfunktion.
Die Kern- und Pflegezonen sollen ganz wesentlich ausschließlich im Wald liegen, der seit Jahrhunderten menschlich geprägt und somit baumartenreich ist. Eine Kernzone soll der bereits entsprechend der FSC- Kriterien stillgelegte Hinterlandeswald des Forstamtes Rüdesheim werden, für den jetzt ein Managementplan entwickelt wird - zum Schutz der Orchideen und der Verantwortungsart Elsbeere. Im BSR soll er jedoch vor menschlichem Einfluss geschützt werden – ein eklatanter Widerspruch!
Es ist mit einem Rückgang von Biodiversität/Artenvielfalt durch die Ausweisung von Kernzonen im Wald zu rechnen (siehe Langzeit-Untersuchungen Prof. Dr. Christian Ammer und andere). Die sich im Optimum befindliche Buche wird lichtbedürftige Baumarten wie z.B. die Eiche und die Elsbeere verdrängen; der Mischwaldcharakter und damit auch kulturgeschichtliche Zeugnisse werden verloren gehen.
Mit einem Rückgang der Klimaschutzleistungen des Waldes ist durch die Ausweisung von Kernzonen ebenfalls sicher zu rechnen (siehe Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim BMEL(2016), Gutachten des Weltklimarates (2018)). Ob darüber hinaus Kernzonen im Wald ein geeignetes Instrument sind, um dem Klimawandel zu begegnen und die Waldfunktionen zu sichern, muss bezweifelt werden (Verzicht auf klimaangepasste Baumartenwahl und Wegfall der Kohlenstoffspeicherleistung von 6-10 Tonne Kohlenstoff / Hektar / Jahr).
Die Vorstellung der Deutschen UNESCO-MAB-Gruppe, dass 3% der Biosphärenreservatfläche als Kernfläche einer menschlichen Nutzung entzogen werden sollen und somit Wildnis entstehen wird, widerspricht allen Erkenntnissen neuerer Ökosystemforschung. Diese 3%-Vorgabe gibt es nur in Deutschland und bedeutet in einem möglichen Biosphärenreservat im Rheingau und Taunus (bei einem Waldanteil von rund 30%), dass rund 10% des Waldes im Rheingau und Taunus still gelegt werden müssen. Würde der relative Anteil des Waldes höher sein, würden die Auswirkungen auf den produktiven Teil des Waldes deutlich geringer ausfallen. Dann würden - wie im Pfälzer Wald (Wald-anteil am Biosphärenreservat >80%) - vor allem unproduktive Waldflächen still gelegt werden.
Die Stilllegung bisher bewirtschafteter Waldflächen für eine BSR steht zu den Bestrebungen der Landesregierung und den übergeordneten Klimaschutz-Zielen in krassem Widerspruch. Zweifelsfrei ist die ökologische Bilanz bei der Verwendung einheimischen Rohholzes besser als wenn das Holz aus zertifizierten Großkahlschlägen aus den borealen Nadelholz-Wäldern Russlands oder aus ebensolchen Großkahlschlägen in Buchenwäldern des Balkans stammt. Da der Holzverbrauch nicht geringer werden wird, was auf Grund der Kohlenstoffspeicherfunktion des Holzes und seines Substitutionseffektes auch nicht sinnvoll wäre, wird der Import von Holz aus unsicherer Herkunft mit jedem Hektar stillgelegten heimischen Waldes steigen. Dies hat zur Folge, dass dort (trotz aller internationaler Bemühungen), Holz unabhängig von ökologischen Bedingungen in Großkahlschlägen und mit massivsten Schäden am Naturraum gewonnen und nach Deutschland transportiert wird. Aktuelle Medienberichte zeigen auf, dass dies auch mit einer FSC-Zertifizierung nicht verhindert wird und dieses internationale Zertifizierungssystem somit gescheitert ist. Importholz kann daher kein Ersatz für Holz aus nachhaltiger heimischer Waldbewirtschaftung sein.
Wenn im kürzlich übersandten Zwischenbericht auf die Arten Wildkatze, Schwarzstorch und Bechstein-Fledermaus als Begründung für eine BSR hingewiesen wird, ist das eine sehr dürftig:
Die Wildkatze lebt im Taunus seit Menschengedenken; der Rheingau stellt sogar ein Quellvorkommen für diese Art dar. Auch der Schwarzstorch, der seit Ende der 90er Jahre in der Region wieder mit mehreren Brutpaaren vertreten ist, hat sich hier nicht in Erwartung einer BSR angesiedelt, sondern weil die Voraussetzungen mit den geeigneten Waldbeständen (überwiegend bewirtschaftete Bestände) dafür gegeben waren und sind. Ähnliches gilt für die Bechstein-Fledermaus. Ihr Vorkommen ist in bewirtschafteten Wäldern sogar größer als in still gelegten Bereichen. Dieses jetzt als Begründung für eine BSR zu instrumentalisieren zu wollen, ist daher nicht überzeugend.
Auch der vorhandene Naturpark kann viele der Funktionen einer BSR übernehmen wie z.B. im Bereich der Umweltbildung. Positives Beispiel ist hierzu der Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald, der ein leuchtendes Beispiel eines integrativen Ansatzes darstellt. Ein Konzept zu Tourismus im Rheingau-Taunus-Kreis liegt vor und ist vom Kreistag beschlossen. Auch aus diesem Grunde ist eine BSR nicht erforderlich.
Durch den verpflichtenden Aufbau einer zukünftigen Biosphärenreservats-Verwaltung mit hoheitlichen Zuständigkeiten wird eine neue und sehr große Verwaltungsebene geschaffen, die auf Grund ihrer querschnittsorientierten Aufgaben tief in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen und wesentlich höhere Kosten für den Steuerzahler verursachen wird als die bisherigen Verwaltungen.
Weder in den Bürgerforen zur Machbarkeitsstudie noch in den Arbeitsgruppensitzungen haben die Vertreter der SDW einen triftigen Grund vernommen, wonach eine BSR für diese Region machbar oder erforderlich sei.
(Bei 2 Enthaltungen einstimmig angenommen)