Zwei zusätzliche Fahrstreifen in den Wald zu bauen wären ein unverantwortlicher Eingriff. Der Wald zwischen Dieburg und Groß-Umstadt zählt zu den immer seltener werdenden und naturschutzfachlich äußerst wertvollen Eichen – Hainbuchenwäldern. Er gehört wegen den zahlreichen Tier- und Pflanzenarten zu einem Landschafts- und einem EU-Vogelschutzgebiet in der Natura2000 Schutzgebietskulisse. Er soll in Teilen demnächst als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden. Selbst der in Naturschutzfragen restriktive Bundesverkehrswegeplan sagt hierzu: „Erhebliche Beeinträchtigungen können hier nicht ausgeschlossen werden“.
Für die zwei Fahrstreifen an der Nordseite der B45 müssten sämtliche Bäume auf einer Länge von 2.200 Metern gerodet werden. Damit wären allein schon 30.000 bis 40.000 m² Wald unwiderruflich verloren. Somit wäre auch der stabile, alte Waldrand zerstört, der den dahinter liegenden Wald als Gesamtkomplex schützt! Die hier stehenden Bäume haben von Anfang an einen natürlichen und tief beasteten Trauf gebildet, die Baumkronen nicht so hoch in den Himmel geschoben, die Äste am Stamm belassen, dadurch einen Waldtrauf geformt und zudem ein dichtes und tiefes Wurzelsystem ausgebildet. Damit schützten sie sich und den dahinterliegenden Wald vor Sturm, Austrocknung und Sonneneinstrahlung und bieten darüber hinaus typischen Waldrand bewohnenden Tierarten einen Lebensraum. Besonders in Zeiten des Klimawandels ist ein derart natürlich gewachsener Waldrand von großer Bedeutung für den gesamten Waldkomplex und muss unbedingt erhalten werden. Wird dieser Waldrand durch den Straßenbau gerodet, entstehen Aushagerungseffekte von rund 100 Metern in den Restwald des Natura2000-Schutzgebiets hinein. Die dann in süd-westlicher Richtung freigestellten Bäume verlieren den beschattenden Waldrand, werden Sonnenbrand bekommen und daraufhin absterben. Hinzu kommt die Sturmgefahr aus Südwesten. Die kollektive Stabilität der Bäume wird durch den Waldrandverlust deutlich verringert, was zum Windwurf ganzer Bestandesteile führen kann.
Das bislang schattige Waldesinneren steht nach dem Bau plötzlich schutzlos der Sonne und dem Wind
ausgeliefert – und das bei süd-west exponierter Lage. Diverse Pilzarten, Laubbaumborkenkäfer, Prachtkäfer werden die in Ihrer Vitalität stark beeinträchtigten und geschwächten Bäume endgültig zum Absterben bringen. Die nicht mehr beschatteten Böden trocknen dann viel schneller aus. Dies wird
durch weiter zunehmenden Sommer- und Hitzetage (Klimawandel!) verstärkt. Stürme, die hauptsächlich
aus westlichen Richtungen kommen, werden weitere Lücken in den Wald reißen und die gesamte Stabilität des Waldes gefährden. Erfahrungsgemäß geht nach solchen Eingriffen in das Waldgefüge das Siechtum los und kann mehr als 100 Meter in den verbleibenden Wald hinein reichen. Der Eingriff ist somit
deutlich größer als die zu rodende Fläche. Ob das Vogelschutzgebiet seine Schutzfunktion in diesem
Bereich noch erfüllen kann, muss gutachterlich geprüft werden.
Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald lehnt daher, wie bereits im Scoping-Verfahren formuliert, diese Wald beanspruchenden Planungen grundsätzlich ab. Das im Bundesnaturschutzgesetz in § 15 formulierte Vermeidungsverbot von erheblichen Eingriffen in den Naturhaushalt ist insbesondere im dicht besiedelten Raum ein unverzichtbares Gebot. Zudem ist eine Kompensation derart großer und schwerwiegender Eingriffe in einem alten Waldbestand durch Ersatzaufforstungen nicht möglich. Die Tier und
Pflanzenarten, die einen alten Wald benötigen, verlieren unwiederbringlich ihren Lebensraum. Bis eine
Kompensation eines derart alten Waldes überhaupt durch eine Ersatzaufforstung Wirkung entwickeln
kann, vergehen weit mehr als 100 Jahre.
Die zugrunde gelegten Verkehrsprognosen aus 2017, wonach die Kfz-Fahrten um 75 % bis zum Jahr 2025 zunehmen, sind für die SDW nicht nachvollziehbar. Zudem kommt hinzu, dass in und auch nach der Corona Zeit aufgrund flexiblerer Arbeitszeiten, Homeoffice und Video-Konferenzen etc. generell ein verringertes Fahrzeugaufkommen zu verzeichnen ist. Dadurch flachen sich die Verkehrsspitzen spürbar ab. Eine belastbare aktuelle Studie hierzu wäre dringend notwendig. Die Zahlen von VorCorona können nicht mehr zur Begründung des Vorhabens heran gezogen werden. Es ist ferner zu beachten, dass der Bundesverkehrswegeplan nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Beachtung
des Klimaschutzes bei allen öffentlichen Vorhaben vom 23.04.2021 vereinbar und deshalb unions- und verfassungsrechtswidrig ist.
Statt vierspurig Waldeingriffe zu planen, wären neben dem Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems weitere Maßnahmen zu prüfen, die den Verkehrsfluss verbessern können. Regelmäßige Staus entstehen an Kreuzungen und Ampeln. Hier können z.B. Über- bzw. Unterführungen die Eng- bzw. Stau gefährdeten Stellen beseitige. Die Investitionskosten wären zudem deutlich geringer. Diese Umbaumaßnahmen wären somit die wichtigsten und vordringlichsten Schritte, die auch deutlich schneller umsetzbar wären.
Weitere Fragen beantwortet:
Dr. Ing Arnulf Rosenstock
Am Elfengrund 31
64297 Darmstadt
Telefon: 01 77-3 22 89 17