Der Reinhardswald ist nicht bloß Grimms Märchenwald, sondern derzeit der Schauplatz einer juristischen Auseinandersetzung, in der sich der Klima- und Biodiversitätsschutz (Schutz der biologischen Vielfalt) auf der einen und die wirtschaftlichen Interessen von Windkraftinvestoren auf der anderen Seite unversöhnlich gegenüberstehen.
Während andere das Schicksal der Bäume noch beklagen, wurde die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) ihrer Rolle als anerkannter Naturschutzverband gerecht. Sie erhob, unterstützt durch die vor Ort aktive Bürgerinitiative Oberweser-Bramwald e.V., direkt nach Erteilung der Genehmigungen für 18 Windenergieanlagen Klage und suchte um die Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes nach. Gleiches geschah gegen die Genehmigung der für den Bau notwendigen Zuwegungen. Auch wenn nicht verhindert werden konnte, dass an den Anlagenstandorten ökologisch wertvoller alter Laubwald der Motorsäge zum Opfer fiel, kündigte der Investor vor dem Hintergrund einer andernfalls schon kurzfristig zu erwartenden Gerichtsentscheidung an, von weiteren Baumfällungen für die Herstellung der Zuwegung erst einmal absehen zu wollen. Für den Reinhardswald und seine tierischen Bewohner konnte die SDW erst einmal eine kurze Verschnaufpause erreichen.
Warum bemüht die SDW in diesem Fall eigentlich die Gerichte?
Ist das nicht sogar kontraproduktiv, wo doch zu vernehmen war, dass die „Windenergie für den Erhalt der Natur einen entscheidenden Beitrag leistet“ und es ohne „konsequente und enga gierte Klimapolitik bald gar keinen Wald mehr gibt“? Wer sich tatsächlich dem Klimaschutz und nicht bloß den wirtschaftlichen Interessen der Windkraftinvestoren verpflichtet weiß, macht sich für den Erhalt alter Wälder schon deshalb stark, weil sie als Kohlenstoffsenke fungieren. Das hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke erst unlängst in Erinnerung gerufen. Darin liegt allerdings bei weitem nicht der einzige Vorteil der Wälder. Vielmehr wirken Laub- und Nadelwälder zugleich der Biodiversitätskrise entgegen, indem sie zahlreichen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten geeigneten Lebensraum bieten. Sie sind Naturreservoir, fungieren überdies als Wasserspeicher und schützen vor Hochwasser, filtern Staub und Schadstoffe aus der Luft, dämpfen in Hitzesommern die Temperaturausschläge und kühlen die Siedlungen und dienen der Erholung der Bevölkerung. Der Wald ist daher ein echter Alleskönner, während Windenergieanlagen nur Strom produzieren können, sofern der Wind weht.
Für die Verwirklichung des Windparks Reinhardswald soll Wald im Umfang von rund 29 Hektar dauerhaft und temporär beansprucht werden. Diesen schmerzlichen Verlust zu verhindern ist eines der Ziele der SDW, die mit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zugleich erreichen möchte, dass den zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gerade auch in Verantwortung für künftige Generationen erlassenen Rechtsvorschriften zur Durchsetzung verholfen wird. Aus Sicht der SDW sind die Genehmigungen für den Windpark Reinhardswald vor allem mit Vorschriften des Habitat- und Artenschutzes nicht vereinbar, die dazu dienen sollen, das noch reichhaltige, aber zunehmend gefährdete europäische Naturerbe zu erhalten. Es sind dieselben Fehler, die dem Regierungspräsidium Kassel schon im Fall des Windparks Wotan unterlaufen sind und dort zur Folge haben, dass Teile des Genehmigungsverfahrens wiederholt werden müssen, nachdem der Verwaltungsgerichtshof Kassel im Rahmen eines Klageverfahrens die Berechtigung der Kritik der SDW bestätigte.
All diejenigen, die sich für eine Windkraftnutzung im Reinhardswald glauben aussprechen zu müssen, sollten sich daher bewusst sein, dass die Genehmigung des gleichnamigen Windparks mit den Zielen des Klima- und Biodiversitätsschutzes in Konflikt gerät, sich erheblichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt sieht und eigentlich nur die wirtschaftlichen Interessen der Investoren und des Grundeigentümers befriedigt. Dies allein kann aus Sicht der SDW jedenfalls nicht der Grund sein, den märchenhaften und von technischen Anlagen noch unbelasteten Reinhardswald in ein seelenloses Industriegebiet umzuwandeln.
Spendenkonten:
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald – LV Hessen e.V.:
IBAN 09 5105 0015 0140 0991 47 - Verwendungszweck: Reinhardswald (+ Name, Anschrift des Spendenden)
Bürgerinitiative Oberweser-Bramwald e.V.: IBAN: DE57 2606 2433 0102 1701 16
Verwendungszweck: Gemeinsam den Reinhardswald bewahren
Weitere Informationen erhalten Sie von
Christoph von Eisenhart Rothe (Landesgeschäftsführer)